Heft 10 / 2011
In der aktuellen Ausgabe des AO-Steuer-Berater lesen Sie folgende Beiträge und Entscheidungen.
Aktuelle Kurzinformationen
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Günther, Karl-Heinz, Steuervereinfachungsgesetz 2011: Einigung im Vermittlungsausschuss, AO-StB 2011, 291
Rechtsprechung
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BFH v. 13.4.2011 - II R 49/09, Insolvenzverwalter als Adressat von Steuerbescheiden, AO-StB 2011, 291-292
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BFH v. 12.7.2011 - VII R 69/10, Örtliche Zuständigkeit bei Wohnsitzwechsel in Erstattungsfällen, AO-StB 2011, 292-293
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BFH v. 15.6.2011 - IV R 11/08, Feststellung des Gewerbeverlusts bei Ausscheiden eines Mitunternehmers, AO-StB 2011, 293-294
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BFH v. 6.7.2011 - II R 44/10, Anfechtung eines gegen den Bedachten ergangenen Bedarfswertbescheids durch den Schenker, AO-StB 2011, 294-295
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FG Baden-Württemberg v. 22.2.2011 - 8 K 60/06, Gestaltungsmissbrauch bei Kaufpreisrückfluss durch Schenkung, AO-StB 2011, 295-296
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FG Baden-Württemberg v. 21.4.2011 - 2 K 4920/08, Gestaltungsmissbrauch bei Wahlrechtsausübung, AO-StB 2011, 296-297
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BFH v. 25.5.2011 - IX R 25/10, Tatsächlich nicht durchgeführter Treuhandvertrag zwischen Ehegatten, AO-StB 2011, 297-299
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BFH v. 21.7.2011 - II R 6/10, Zurückweisung ausländischer Steuerberatungsgesellschaften, AO-StB 2011, 299
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FG Münster v. 19.4.2011 - 11 K 1562/09 AO, Aussetzung der Vollziehung bei verzögerter Sicherheitengestellung, AO-StB 2011, 299-300
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BFH v. 19.5.2011 - III R 74/10, Bezeichnung des Beklagten nach Ablauf der Klagefrist, AO-StB 2011, 300-301
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BFH v. 15.6.2011 - XI R 10/11, Keine wirksame Aufnahme eines Prozesses durch Vermächtnisnehmer, AO-StB 2011, 301-302
Literatur
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Steinhauff, Dieter, Zum – vielfältigen – Rechtsschutz gegen nichtige Steuerbescheide, AO-StB 2011, 302-303
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Steinhauff, Dieter, Sachaufklärungspflicht des Gerichts sowie die richterliche Hinweis- und Fürsorgepflicht, AO-StB 2011, 303-304
Beratung im steuerlichen Verfahren
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Gersch, Eva-Maria, Spenden und mehr – neue Verwaltungsanweisungen im Gemeinnützigkeitsrecht, AO-StB 2011, 305-308
Spenden sind für jede steuerbegünstigte Körperschaft von zentraler Bedeutung. Entsprechend groß ist die Bedeutung der zweckgerichteten Verwendung von Spenden und von formgerechten Spendenbestätigungen. Mit dem Komplex “Spende“ beschäftigen sich fünf Verwaltungsanweisungen des BMF:BMF v. 16.5.2011 – IV C 4 - S 2223/07/0005:008 – DOK 2011/0381377, BStBl. I 2011, 559 (betr. Auslandsspenden);BMF v. 17.6.2011 – IV C 4 - S 2223/07/0018:004 – DOK 2011/0474108, BStBl. I 2011, 623 (betr. Spendenbestätigungen im Allgemeinen);BMF v. 24.3.2011 – IV C - 4 S 2223/07/0015:005 – DOK 2011/0219607, BStBl. I 2011, 293, mit Ergänzung v. 16.5.2011 – IV C 4 - S 2223/07/0015:005 – DOK 2011/0394333, BStBl. I 2011, 560 (betr. Katastrophenfall Japan);BMF v. 2.8.2011 – IV C 4 - S 2223/07/0015:006 – DOK 2011/0657670 (betr. Hungersnot in Ostafrika) .Außerdem hat die Finanzverwaltung Übergangsregelungen für die Anwendung neuer Rspr. geschaffen. Betroffen sind sog. Selbstversorgungsbetriebe und die Veranstaltung von Galopprennen.
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Tormöhlen, Helmut, Die Durchbrechung des Steuergeheimnisses im zwingenden öffentlichen Interesse, AO-StB 2011, 309-312
Das Steuergeheimnis, das durch § 30 AO grundsätzlich umfassend geschützt werden soll, erstreckt sich auf die gesamten persönlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen, öffentlichen und privaten Verhältnisse einer Person. Dabei ist es gleichgültig, ob die betreffenden Tatsachen für die Besteuerung relevant sind (vgl. AEAO zu § 30, Nr. 1.5). Nicht dem Steuergeheimnis unterliegen allerdings Verhältnisse, die jedermann zugänglich oder die in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind (str.; wie hier in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 30 AO Rz. 51a [Feb. 2009]; a.A. in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 30 AO Rz. 124 [Okt. 2002]; differenzierend BFH v. 14.4.2008 – VII B 226/07, BFH/NV 2008, 1295).Im Übrigen wird der Begriff des “Offenbarens“ im Interesse des Schutzes des Steuergeheimnisses aber weit ausgelegt. Danach werden Verhältnisse offenbart, wenn sie durch ein irgendwie geartetes Verhalten eines Amtsträgers (vgl. § 7 AO) bekannt werden oder bekannt werden können, ohne dass ein Offenbarungswille gegeben sein müsste ( in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 30 AO Rz. 122 [Okt. 2002]). So ist das Steuergeheimnis auch dann verletzt, wenn ein Schriftstück in einem finanzgerichtlichen Verfahren irrtümlich einem Dritten zugestellt wird (BFH v. 21.9.2000 – XI B 94/00, BFH/NV 2001, 200).Die Offenbarung steuerlicher Verhältnisse ist u.a. dann statthaft, wenn hierfür ein zwingendes öffentliches Interesse besteht (§ 30 Abs. 4 Nr. 5 AO). Im Hinblick auf die sehr dehnbaren Begrifflichkeiten wird hier zutreffend von einer “Achillesferse des Steuergeheimnisses“ gesprochen (so in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 30 AO Rz. 119 [März 2004]). Das Gesetz definiert den Begriff des zwingenden öffentlichen Interesses nicht. Vielmehr sind in § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO Fallgruppen nach Art einer Regelbeispieltechnik genannt, in welchen stets eine zugelassene Dispensierung vom Steuergeheimnis zu erblicken ist. Jedoch ist dieser Katalog nicht als abschließend zu verstehen, was der Gesetzgeber durch das Adverb “namentlich“ zum Ausdruck gebracht hat.§ 30 Abs. 4 Nr. 5 AO hält nach zutreffender h.M. verfassungsrechtlichen Anforderungen Stand. Das BVerfG hat ausgesprochen, dass Ausnahmen vom Steuergeheimnis im Lichte verfassungsrechtlicher Anforderungen an den Schutz individualisierter und individualisierbarer steuerlicher Daten auszulegen sind (BVerfG v. 17.7.1984 – 2 BvE 11/83, 2 BvE 15/83, BStBl. II 1984, 634). Vor diesem Hintergrund wird man sagen können, dass § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO aus verfassungsrechtlichen Gründen sehr restriktiv auszulegen ist.
Erfolgreicher Steuer-Rechtsschutz
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Nöcker, Gregor, Nichtanwendungserlasse und Vertrauensschutz, AO-StB 2011, 313-316
Derzeit muss sich die Steuerrechtspraxis verstärkt mit den Neuerungen aus dem JStG 2010 auseinandersetzen. Dieses Artikelgesetz ist die gesetzestechnische Antwort auf verschiedene BFH-Urteile, die aus Sicht der Finanzverwaltung die bisherige Verwaltungsauffassung in Frage stellt. Wie schon häufig vorgekommen, ist es dann der Steuergesetzgeber, der diese BFH-Rspr. durch Gesetzesänderungen aushebelt und die bisherige Verwaltungspraxis wieder herstellen helfen soll. Das JStG 2010 ist deshalb eigentlich ein “mehrfaches Nichtanwendungsgesetz“ (so zu Recht der ehemalige BFH-Präsident im Editorial der NWB 2010, 3929). Im Vorfeld zu diesem Gesetz ist es in verschiedenen Fällen entweder zur bewussten Nichtveröffentlichung von BFH-Entscheidungen oder zur Veröffentlichung in Kombination mit einem sog. Nichtanwendungserlass gekommen.So hatte die Finanzverwaltung etwa in Bezug auf die Rechtsprechungsänderung zur Theorie der finalen Entnahme (BFH v. 28.10.2009 – I R 28/08, BFH/NV 2010, 432; v. 28.10.2009 – I R 99/08, BFH/NV 2010, 346) durch schlichte Nichtveröffentlichung in den Bundessteuerblättern Teil II, reagiert. Ein vorher bereits ergangenes Urteil des BFH vom 17.7.2008 (BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464), welches deutlich machte, dass die Theorie der finalen Entnahme keine gesetzliche Grundlage hatte, war mit einem Nichtanwendungserlass kombiniert worden (BMF v. 20.5.2009 – IV C 6 - S 2134/07/10005 – DOK 2009/0300414, BStBl. I 2009, 671). Die erfolgte gesetzliche Neuregelung in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG soll nun aus Sicht des Steuergesetzgebers allein eine klarstellende Regelung sein und deshalb mit Rückwirkung gelten (vgl. § 52 Abs. 8b EStG i.d.F. JStG 2010).Im Fall der BFH-Rspr. zu den sog. ertraglosen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften und der Beschränkung nach § 3c Abs. 2 EStG, so ein anderes Beispiel im Zusammenhang mit der gesetzlichen Neuregelung im JStG 2010, war ein regelrechtes Ping-Pong-Spiel zwischen BFH und BMF dieser Gesetzesänderung vorausgegangen. Zunächst hatte der BFH durch Urteil vom 25.6.2009 (BFH v. 25.6.2009 – IX R 42/08, BStBl. II 2010, 220) aus seiner Sicht klargestellt, dass die Einschränkung des § 3c Abs. 2 EStG nicht greift, wenn dem Steuerpflichtigen tatsächlich keine Einnahmen i.S.d. § 3 Nr. 40 EStG aus der Beteiligung zufließen. Die Reaktion des BMF war ein Nichtanwendungserlass (BMF v. 15.2.2010 – IV C 6 - S 2244/09/10002, BStBl. I 2010, 181 = DB 2010, 1022). Unmittelbar nach dem Bekanntwerden dieses Erlasses hat der IX. Senat des BFH, damals noch unter dem Vorsitz des Präsidenten des BFH , bereits im Rahmen eines anhängigen NZB-Verfahrens seine Auffassung wiederholt (BFH v. 18.3.2010 – IX B 227/09, BFH/NV 2010, 1022). Daraufhin hat das BMF durch Erlass vom 28.6.2010 (BMF v. 28.6.2010 – IV C 6 - S 2244/09/10002, BStBl. I 2010, 599 = DB 2010, 1493) den vorherigen Nichtanwendungserlass aufgehoben und eine Neuregelung im JStG 2010 angekündigt, was dann bekanntlich durch die Ergänzung des § 3c Abs. 2 EStG erfolgte.Diese Beispiele und die letzte Vorlage des IX. Senats des BFH an das BVerfG unter dem Vorsitz des Präsidenten des BFH (BFH v. 7.12.2010 – IX R 70/07, BStBl. II 2011, 346) sind Anlass genug, sich mit der Frage der rechtlichen Grenzen von Nichtanwendungserlass und Nichtveröffentlichung im Zusammenhang mit BFH-Entscheidungen zu befassen. Dabei soll nicht dogmatisch (vgl. hierzu etwa in FS Joachim Lang zum 70. Geburtstag, Gestaltung der Steuerrechtsordnung, 2010, 927 ff.) sondern praktisch die derzeitige Rechtslage zum Nichtanwendungserlass unter Berücksichtigung gerade dieses Vorlagebeschlusses des IX. Senats v. 19.1.2011 (a.a.O.) dargestellt werden, um konkrete Empfehlungen für die Beraterschaft zu geben.
Interessenwahrung im Steuerstrafverfahren
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Schaaf, Joachim, Die Rolle der Finanzbehörde im gerichtlichen Steuerstrafverfahren, AO-StB 2011, 317-319
Im Rahmen der Vertretung eines Mandanten in einem Steuerstrafverfahren ist der Kontakt zur Strafverfolgungsbehörde und deren Ermittlungsbeamten zwangsläufig. Dabei ist die früheste mögliche Einbindung im strafprozessualen Abschnitt des Ermittlungsverfahrens (§§ 152 ff. StPO) denkbar. Im chronologischen Ablauf eines Steuerstrafverfahrens schließen sich in Abhängigkeit von der abschließenden Bewertung des Sachverhalts weitere Verfahrensabschnitte an, in denen sich die Beteiligungsrechte der Finanzbehörden erheblich verändern (Ermittlungsverfahren, Zwischenverfahren, Hauptverfahren, Rechtsmittelverfahren, Vollstreckungsverfahren). Dieser Aufsatz soll eine Übersicht über die unterschiedlichen Rollen und Rechte der Finanzverwaltung in ihrer Sonderstellung vermitteln, wobei das Hauptverfahren nach der StPO im Zentrum der Darstellung steht.
Verlag Dr. Otto Schmidt vom 15.12.2011 15:07