Kurzbesprechung
Steuerbefreiung beim Grundstückserwerb aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben
Der Erwerb eines Grundstücks durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts erfolgt nicht aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben, wenn bei der übertragenden juristischen Person des öffentlichen Rechts zu keinem Zeitpunkt die öffentlich-rechtliche Aufgabe und das Eigentum an dem Grundstück zusammengefallen sind.
BFH v. 28.2.2024 - II R 45/21
GrEStG § 4 Nr. 1
Strittig war in diesem Verfahren die Festsetzung von Grunderwerbsteuer aufgrund Bestellung eines Erbbaurechts. Die Klägerin (Revisionsklägerin) ist ein Studierendenwerk in der Form einer Anstalt des öffentlichen Rechts. Die Klägerin bewirtschaftet unter anderem ein Studierendenwohnheim in A. Zur Zeit der DDR stand das Grundstück im Eigentum des Volkes. Rechtsträger war der Rat der Stadt A. Seit dem Jahr 1971 wurde das Grundstück überwiegend als Studierendenwohnheim genutzt. Nachdem 1991 zunächst die Stadt A als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen worden war, wurde das Grundstück im Jahr 2003 nach Art. 22 Abs. 1 Satz 7 i.V.m. Art. 21 Abs. 3 Halbsatz 1 des Einigungsvertrags vom 31.8.1990 auf die Universität der Stadt A übertragen. Diese bestellte mit notarieller Urkunde in 2011 ein Erbbaurecht zugunsten der Klägerin an dem Grundstück. Die Bestellung des Erbbaurechts erfolgte zum Zweck der Errichtung und des Betreibens von Studierendenwohnheimen und mit diesen im Zusammenhang stehenden Nebeneinrichtungen im Rahmen der gesetzlichen Aufgabe der Klägerin.
Mit dem gegen den Grunderwerbsteuerbescheid gerichteten Einspruch machte die Klägerin geltend, ihr Erwerb sei nach § 4 Nr. 1 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen. Einspruchsverfahren und nachfolgende Klage vor dem FG blieben erfolglos. Mit ihrer Revision macht die Klägerin die Verletzung von § 4 Nr. 1 Alt. 1 GrEStG, einen Verstoß gegen Denkgesetze bei der Auslegung zweier vom Ministerrat der DDR erlassener Regelwerke durch das FG sowie Verfahrensverstöße geltend. Nach Ansicht der Klägerin verlange § 4 Nr. 1 GrEStG keinen zeitlichen Gleichklang zwischen Aufgabenerfüllung und Rechtsträgerschaft an dem Grundstück. Die zeitliche Abfolge sei für die Anwendung des § 4 Nr. 1 GrEStG nicht entscheidend. Es komme vielmehr darauf an, dass eine öffentlich-rechtliche Aufgabe von einer jur. Person des öffentl. Rechts auf eine andere übergehe und diesem Übergang eine Grundstücksübertragung folge, die ihrem Sinn nach mit dem Aufgabenübergang zusammenhänge. Dies sei vorliegend gegeben. Die Befreiung von der Grunderwerbsteuer entspreche auch der gesetzgeberischen Zielsetzung, die staatliche Selbstbesteuerung einzugrenzen.
Die Revision als unbegründet zurückweisend, entschied der II. Senat, dass das FG zutreffend entschieden habe, dass die Bestellung des Erbbaurechts zugunsten der Klägerin ein steuerbarer Vorgang und nicht nach § 4 Nr. 1 Alt. 1 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen sei. Eine Steuerbefreiung gewähre § 4 Nr. 1 GrEStG vielmehr nur, wenn neben weiteren Voraussetzungen der Grundstückserwerb aus Anlass eines Aufgabenübergangs von der einen juristischen Person des öffentlichen Rechts auf die andere erfolgt. Dieser Veranlassungszusammenhang fehle jedenfalls dann, wenn die öffentlich-rechtliche Aufgabe und das Eigentum an dem Grundstück bei der jur. Person des öffentl. Rechts, die das Grundstück überträgt, zu keinem Zeitpunkt zusammengefallen sind. Das Tatbestandsmerkmal des § 4 Nr. 1 Alt. 1 GrEStG "aus Anlass" setze voraus, dass sich die öffentlich-rechtliche Aufgabe und das Grundstückseigentum vor deren Übergang auf die andere jPöR einmal zeitgleich in der Hand der übertragenden jPöR befunden haben. Eine Grundstücksübertragung kann nicht anlässlich eines Aufgabenübergangs i.S.v. § 4 Nr. 1 Alt. 1 GrEStG stattfinden, wenn die übertragende jPöR Rechts niemals zugleich Inhaberin der öffentlich-rechtlichen Aufgabe und der Eigentumsrechte an dem der Erfüllung dieser Aufgabe dienenden Grundstück gewesen sei, so die Argumentation des II. Senats.