Otto Schmidt Verlag


Aktuell in der ISR

Vorabverständigungsverfahren i.S.d. § 89a AO - Konkretisierung durch den Anwendungserlass (Rasch, ISR 2024, 261)

Bereits im Jahr 2021 hat der Gesetzgeber im Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (AbzStEntModG) eine gesetzliche Regelung für die sog. Vorabverständigungsverfahren („Advance Pricing Agreements“ – APA) in § 89a AO eingeführt. Mit dieser Regelung wird erstmals eine eigenständige, nationale Rechtsgrundlage für die Streitbeilegung bei drohender Doppelbesteuerung geschaffen. Bis zu diesem Zeitpunkt im Jahr 2021 gab es lediglich ein Merkblatt aus dem Jahr 2006, auf dessen Basis (unter Berufung auf Art. 25 OECD-MA nachgebildete Artikel im jeweiligen DBA) Vorabverständigungsverfahren mit anderen Staaten geführt wurden, um Meinungsverschiedenheiten zwischen Steuerverwaltungen verschiedener Staaten und den Unternehmen insbesondere über Verrechnungspreismethoden und eine dadurch drohende wirtschaftliche Doppelbelastung bzw. Doppelbesteuerung soweit möglich im Voraus einvernehmlich zu vermeiden. Nunmehr wird mit der aktuellen Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung zu § 89a AO die Grundlage der Verhandlung von APAs neu geregelt. Das bisherige Merkblatt wird daher grds. aufgehoben. Der vorliegende Beitrag gibt ein Überblick über die Ausführungen im Anwendungserlass, analysiert diesen und zeigt die praktische Anwendung.

I. Einführung
II. Inhaltsüberblick

1. Hintergrund und Zweck der Änderung
2. Einführung neuer Regelungen zu § 89a AEAO
a) Eröffnung des Vorabverständigungsverfahrens
b) Inhalt und Umfang des Antrags
c) Mitwirkungspflichten
d) Abschluss oder Beendigung des Vorabverständigungsverfahrens
e) Bindungswirkung der Vorabverständigungsvereinbarung
f) Widerruf
g) Geltungszeitraum und Roll Back
h) Gebühren
3. Ergänzungen und Klarstellungen
4. Zusammenfassung im Überblick
III. Analyse
1. Voraussetzungen für die Einleitung eines Vorabverständigungsverfahrens
a) Einleitung eines Verfahrens für noch nicht verwirklichte Sachverhalte
b) Gegenstand und Umfang
(1) DBA-Sachverhalt
(2) Abkommensberechtigung
(3) Geltungsdauer
2. Anspruch auf Durchführung des Vorabverständigungsverfahrens
3. Erfolgswahrscheinlichkeit des Verfahrens
4. Gebühren
5. Antragsvoraussetzungen
6. Ablauf
IV. Aufhebung der Bindungswirkung von mit der Finanzverwaltung getroffenen Vereinbarungen im Rahmen von Verständigungsvereinbarungen (§ 175a Satz 2 AO-E)
V. Anwendungszeitpunkt


I. Einführung

Ein APA ist ein völkerrechtlicher Vertrag, durch den vor der konkreten Abwicklung konzerninterner Geschäftsvorfälle auf der Basis von festgelegten Kriterien (Methode, Vergleichswerte, ggf. Anpassungsmechanismen, zugrunde zu legende Annahmen) bestimmt werden, um auf diese Weise die Verrechnungspreisgestaltung dieser Geschäftsvorfälle für die Zukunft in einem definierten Zeitraum zu ermitteln. Mit dem im Rahmen ISR 2024, 262des Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetzes (AbzStEntModG) im Jahr 2021 eingeführten § 89a AO sollte eine eigenständige, nationale Regelung eingeführt werden. Der Gesetzgeber wollte damit verdeutlichen, dass der Wille besteht, Vorabverständigungsverfahren einzuleiten und dass der Rechtssicherheit ein sehr hoher Stellenwert beigemessen wird. Damit wurde für die schon bis zu diesem Zeitpunkt geltende Praxis der Finanzverwaltung eine eindeutige Regelung geschaffen, um ein unkompliziertes Antragsverfahren zu gewährleisten und dem Ausland zu zeigen, dass die Streitvermeidung im grenzüberschreitenden Kontext überragende Bedeutung hat. Die Regelung ist damit für Vorabverständigungsverfahren die alleinige Rechtsgrundlage und übernimmt die bisherige Verwaltungspraxis, auf Basis von Art. 25 OECD-MA nachgebildeten Artikeln im jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen Vorabverständigungsverfahren zu führen. Die Grundlage entspricht im Wesentlichen der bisherigen Verwaltungspraxis, die auf Basis von Art. 25 OECD-MA durchgeführt wurde.

Bisher gab es nur das Merkblatt des BMF aus dem Jahr 2006 als Grundlage zur Durchführung von APAs. Das BMF hat am 26.6.2024 den Anwendungserlass zur Abgabenordnung zu §§ 89 und 89a geändert sowie das Merkblatt aufgehoben.

II. Inhaltsüberblick

1. Hintergrund und Zweck der Änderung

Die Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) bezüglich der §§ 89 und 89a AO hat das Ziel, die steuerliche Behandlung von grenzüberschreitenden Sachverhalten zu klären und Doppelbesteuerung zu vermeiden. Diese Änderungen wurden notwendig, um die bestehenden Regelungen zu präzisieren und den Steuerpflichtigen sowie den Finanzbehörden eine klare Handlungsanleitung für Vorabverständigungsverfahren (Advanced Pricing Agreements, APAs) zu bieten. Der Fokus liegt dabei auf der Vereinheitlichung und Verbesserung der Verfahrensabläufe zur Erlangung steuerlicher Rechtssicherheit im internationalen Kontext.

2. Einführung neuer Regelungen zu § 89a AEAO

a) Eröffnung des Vorabverständigungsverfahrens

Zuständigkeiten

Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) ist für die Durchführung des Vorabverständigungsverfahrens zuständig, handelt jedoch im Einvernehmen mit den obersten Landesfinanzbehörden oder den von diesen beauftragten Behörden. Diese Regelung stellt sicher, dass sowohl das BZSt als auch lokale Steuerbehörden in den Entscheidungsprozess eingebunden sind.

Antragstellung
Das Verfahren bezieht sich auf die steuerliche Beurteilung eines noch nicht verwirklichten Sachverhalts auf Grundlage von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit einem oder mehreren Staaten. Es wird nur unter den Voraussetzungen des § 89a AO
geführt und soll vorrangig gegenüber anderen steuerlichen Auskunftsverfahren beantragt werden. Dies betont die Wichtigkeit und Priorität des Vorabverständigungsverfahrens zur Klärung komplexer internationaler Steuerfragen.

Entscheidung über Anträge
Anträge auf verbindliche Auskünfte (§ 89 AO), verbindliche Zusagen (§ 204 AO) oder Anrufungsauskünfte (§ 42e EStG) werden zurückgestellt, wenn auch ein Vorabverständigungsverfahren nach § 89a AO in Betracht kommt. Dies dient dazu, Doppelarbeit zu vermeiden und ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.08.2024 16:14
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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