OVG Berlin-Brandenburg v. 15.8.2024 - OVG 6 S 30/24
Presserechtlicher Auskunftsanspruch zum Inhalt der Steuergarantien der Bundesregierung für die Bewerbung zur Ausrichtung der Fußball-EM 2024
Beim Zusammentreffen von presserechtlichem Auskunftsanspruch und Steuergeheimnis ist im Wege der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des zwingenden öffentlichen Interesses nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO ein verhältnismäßiger Ausgleich zwischen dem Interesse an der Vertraulichkeit vom Steuergeheimnis geschützter Daten und gegenläufigen öffentlichen Interessen herzustellen. Bei dieser vom Gesetzgeber vorgeprägten Abwägung findet auch das nach Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Informationsinteresse der Presse Berücksichtigung. Der Gesetzgeber hat damit der Wahrung des Steuergeheimnisses grundsätzlich Vorrang eingeräumt und keine "offene" Abwägung im Einzelfall vorgesehen.
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller ist Journalist und begehrt von der Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO Auskunft zu folgenden Fragen:
1. Wie lautet der wesentliche Inhalt der Steuergarantie im Wortlaut, mit der die Bundesregierung den DFB im Jahr 2018 bei dessen Bewerbung um die Ausrichtung der Fußball Europameisterschaften 2024 (EM) in Deutschland bei der UEFA unterstützt hat,
hilfsweise,
welchen wesentlichen Inhalt weist die Steuergarantie auf, mit der die Bundesregierung den DFB im Jahr 2018 bei dessen Bewerbung um die Ausrichtung der EM bei der UEFA unterstützt hat?
2. Sind von der Steuergarantie neben der UEFA weitere Beteiligte der EM insbesondere begünstigend betroffen, etwa Spieler, Schiedsrichter oder Gäste?
3. Welche Steuerarten umfasst die steuerliche Garantie?
4. Wurden Garantien zur Entlastung der UEFA oder anderer Beteiligter von der Umsatzsteuer getroffen und, falls nicht, weshalb wurden Garantien zur Entlastung der UEFA oder anderer Beteiligter von der Umsatzsteuer nicht getroffen?
Das VG wies das Begehren zurück; der Antrag sei hinsichtlich der Frage zu 1 unzulässig, weil nicht hinreichend bestimmt. Hinsichtlich der übrigen Fragen sei er jedenfalls unbegründet, weil dem presserechtlichen Auskunftsbegehren überwiegende schutzwürdige Interessen Privater an der Vertraulichkeit der begehrten Informationen entgegenstünden. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hatte vor dem OVG keinen Erfolg.
Die Gründe:
Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist beim Zusammentreffen von presserechtlichem Auskunftsanspruch und Steuergeheimnis im Wege der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des zwingenden öffentlichen Interesses nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO ein verhältnismäßiger Ausgleich zwischen dem Interesse an der Vertraulichkeit vom Steuergeheimnis geschützter Daten und gegenläufigen öffentlichen Interessen herzustellen. Bei dieser vom Gesetzgeber vorgeprägten Abwägung findet auch das nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Informationsinteresse der Presse Berücksichtigung. Der Gesetzgeber hat damit der Wahrung des Steuergeheimnisses grundsätzlich Vorrang eingeräumt und keine "offene" Abwägung im Einzelfall vorgesehen.
Ein zwingendes öffentliches Interesse kann bei presserechtlichen Auskunftsansprüchen dann angenommen werden, wenn das Informationsanliegen ein vergleichbares Gewicht hat wie die in § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. a) bis c) AO genannten Regelbeispiele. Nach Buchst. a) ist ein zwingendes öffentliches Interesse gegeben, wenn die Offenbarung erforderlich ist zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die Verteidigung oder die nationale Sicherheit oder zur Verhütung oder Verfolgung von Verbrechen und vorsätzlichen schweren Vergehen gegen Leib und Leben oder gegen den Staat und seine Einrichtungen, nach Buchst. b), wenn Wirtschaftsstraftaten verfolgt werden oder verfolgt werden sollen, die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern, oder nach Buchst. c), wenn die Offenbarung erforderlich ist zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern.
Nach diesen Maßstäben kann ein zwingendes öffentliches Interesse i.S.v. § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO an der Offenbarung der von dem Antragsteller mit den Fragen zu 1 bis 4 begehrten Informationen auch in Ansehung des Schutzes der Pressefreiheit nicht angenommen werden. Der Antragsteller stellt keinen Bezug zu einem der aufgeführten Regelbeispiele her, sondern führt lediglich allgemein an, die Öffentlichkeit habe aufgrund der Bedeutung sportlicher Großveranstaltungen wie der Fußballeuropameisterschaft ein enormes öffentliches Interesse an deren Finanzierung. Die Transparenz der Finanzierung durch Unterstützung des Staates und Kontrolle von Besteuerung im Zusammenhang mit solchen Ereignissen seien essenzielle Interessen der demokratischen Solidargemeinschaft.
Mit diesem Vortrag wird ein legitimes öffentliches Interesse an der Berichterstattung über die aufgeworfenen Fragen dargelegt. Nicht angenommen werden kann indessen, dass dieses Berichtsinteresse im hier erforderlichen Sinne zwingend sei, weil es vergleichbar sei mit erheblichen Nachteilen für das Gemeinwohl, einer für die öffentliche Sicherheit drohenden Gefahr, dem Interesse an der Verfolgung schwerer Straftaten oder einer Erschütterung des Vertrauens in die Verwaltung wegen der Verbreitung unwahrer Tatsachen. Das ist auch nicht mit dem weiteren Vorbringen des Antragstellers aufgezeigt, wonach ein Kontrollinteresse im Einzelfall bestehe, ob die gegebenen Steuergarantien rechtmäßig und legitim seien. Bereits das VG hat darauf hingewiesen, dass der Antragsteller keine Tatsachen dargetan hat, wonach die Steuergarantien rechtswidrig sein könnten. Ein zwingendes öffentliches Interesse ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag zum geringen Gewicht des Geheimhaltungsinteresses der UEFA.
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