Kurzbesprechung
Wegfall der Antragsvoraussetzungen nach der Option zum Teileinkünfteverfahren
1. Ein Antrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Halbsatz 1 i.V.m. § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) kann für denjenigen Veranlagungszeitraum, in dem eine Beteiligung veräußert wird, als erstes Antragsjahr gestellt werden, wenn der Antragsteller in diesem Veranlagungszeitraum bis zur Veräußerung zu irgendeinem Zeitpunkt in ausreichendem Umfang an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Das Erzielen von Kapitalerträgen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG in diesem Veranlagungszeitraum ist nicht erforderlich; es genügt die abstrakte Möglichkeit, aus der Beteiligung Kapitalerträge erzielen zu können.
2. Nach einer wirksamen Antragstellung ist das Vorliegen der materiell-rechtlichen Antragsvoraussetzungen gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG in den folgenden vier Veranlagungszeiträumen vom Finanzamt zu unterstellen. Die Beteiligungsvoraussetzungen müssen nur für das erste Antragsjahr erfüllt sein; ihr Wegfall in einem der folgenden vier Veranlagungszeiträume ist unerheblich.
3. Nachlaufende Beteiligungsaufwendungen sind unter Beachtung des Teilabzugsverbots als Werbungskosten auch dann abziehbar, wenn der Anteilseigner die Beteiligung im ersten Antragsjahr veräußert und in den folgenden vier Veranlagungszeiträumen ausschließlich Aufwendungen anfallen.
BFH v. 17.7.2024 - VIII R 37/23
EStG § 3 Nr. 40 S 1 Buchst d, § 3c Abs 2 S 1, § 9 Abs 1 S 3 Nr. 1, § 20 Abs 1 Nr. 1, § 20 Abs 9, § 32d Abs 1, § 32d Abs 2 Nr. 3
Der Steuerpflichtige war Gesellschafter der K-GmbH. Am Stammkapital der K-GmbH von 27.000 € war er seit dem Anteilserwerb bis zur Veräußerung des Anteils mit einem Geschäftsanteil in Höhe von 9.000 € (zu einem Drittel) beteiligt. Die Anschaffungskosten des Geschäftsanteils in Höhe von 430.000 € hatte der Steuerpflichtige fremdfinanziert.
In 2010 veräußerte der Steuerpflichtige seinen Geschäftsanteil, wobei ein Schuldüberhang aus dem Finanzierungsdarlehen verblieb, auf den er im Jahr 2010 und in den Jahren 2011 bis 2014 (Streitjahre) noch Schuldzinsen zahlte.
In der Einkommensteuererklärung für 2010 erklärten die Eheleute Verluste aus der Veräußerung der Beteiligung an der K-GmbH gemäß § 17 EStG in Höhe von 215.000 € und beantragten die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG für die Bezüge aus der Beteiligung und den Abzug der angefallenen nachträglichen Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Das FA veranlagte erklärungsgemäß.
Für die Streitjahre 2011 bis 2014 machte der Steuerpflichtige die gezahlten Schuldzinsen unter Beachtung des Teilabzugsverbots gemäß § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG zu jeweils 60 % als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend.
Das FA versagte den Schuldzinsenabzug, da wegen der Veräußerung der Beteiligung die Antragsvoraussetzungen gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG nicht mehr vorgelegen hätten, so dass ein Werbungskostenabzug gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG nicht mehr in Betracht komme.
Das FG gab der eingelegten Klage statt, der BFH wies die vom FA eingelegte Revision als unbegründet zurück. Der BFH entschied, dass die Schuldzinsen in den Streitjahren Werbungskosten bei den Einkünften des Steuerpflichtigen aus Kapitalvermögen sind. Da er für den Veranlagungszeitraum 2010 für die Beteiligung an der K-GmbH den Antrag auf Anwendung des Teileinkünfteverfahrens gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG wirksam gestellt hatte, sind diese Werbungskosten auch in den Streitjahren als Folgejahren bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu 60 % abzuziehen.
Gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG gilt auf Antrag der gesonderte Tarif gemäß § 32d Abs. 1 EStG nicht für Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG aus der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum, für den der Antrag erstmals gestellt wird, unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 25 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG) oder zu mindestens 1 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt und beruflich für diese tätig ist (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG).
Der Antrag für die jeweilige Beteiligung gilt gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 EStG erstmals für den Veranlagungszeitraum, für den er gestellt worden ist. Er ist spätestens zusammen mit der Einkommensteuererklärung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum zu stellen und gilt, solange er nicht widerrufen wird, auch für die folgenden vier Veranlagungszeiträume, ohne dass die Antragsvoraussetzungen erneut zu belegen sind (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG).
Der Antrag für die Beteiligung an der K-GmbH wurde vom Steuerpflichtigen im Streitfall gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Halbsatz 1 EStG fristgerecht mit Abgabe der Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2010 gestellt. Er hatte für den Veranlagungszeitraum 2010 auch die Antragsvoraussetzungen gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG erfüllt. Denn im Veranlagungszeitraum 2010 war er bis zur Veräußerung zu einem Drittel zivilrechtlicher Inhaber der Beteiligung, die ihm als Eigentümer gemäß § 39 Abs. 1 AO auch steuerlich zuzurechnen war. Er war gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG in Höhe von einem Drittel in ausreichendem Umfang an der K-GmbH beteiligt. Der BFH stellte heraus, dass die unterjährige Veräußerung der Beteiligung der Antragstellung nicht entgegensteht.
Ein Antrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Halbsatz 1 i.V.m. § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG kann für denjenigen Veranlagungszeitraum, in dem die Beteiligung veräußert wird, als erstes Antragsjahr gestellt werden, wenn der Antragsteller in diesem Veranlagungszeitraum bis zur Veräußerung zu irgendeinem Zeitpunkt in ausreichendem Umfang an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Das Erzielen von Kapitalerträgen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG in diesem Veranlagungszeitraum ist nicht erforderlich; es genügt die abstrakte Möglichkeit aus der Beteiligung in diesem Veranlagungszeitraum Kapitalerträge gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG erzielen zu können. Diese Voraussetzungen lagen vor. Für die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens ist es unerheblich, dass der Steuerpflichtige nach der wirksamen Antragstellung für den Veranlagungszeitraum 2010 als Erstjahr in den Streitjahren als Folgejahren innerhalb des gesetzlichen Antragszeitraums nicht mehr an der K-GmbH beteiligt war.