FG München v. 27.2.2024, 5 K 1794/22
Voraussetzungen für das tatsächliche Überschreiten der Kleinunternehmern-Prognose
Für die Anwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG ist im Jahr der Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit allein auf den voraussichtlichen Umsatz des laufenden Kalenderjahres abzustellen; hier ist die Grenze von 22.000 € maßgebend. Der relevante Jahresumsatz für die Anwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG ist im „Erstjahr“ der unternehmerischen Tätigkeit grundsätzlich auf Basis der vom Unternehmer prognostizierten Zahlen zum Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit festzustellen.
Der Sachverhalt:
Der Kläger war seit dem 17.12.2014 Gesellschafter einer GmbH. Ab dem 15.12.2015 war er neben einem E. Geschäftsführer der GmbH. Ein zwischen dem Kläger und der GmbH abgeschlossener Dienstvertrag vom 8.9.2016 über seine Anstellung als Geschäftsführer trat erst mit Wirkung vom 1.7.2016 in Kraft. Der Kläger hatte seine Geschäftsführertätigkeit bis zum 1.7.2016 unentgeltlich ausgeführt. Später hat der Kläger aber für diese Tätigkeit für den Zeitraum Februar 2016 bis Juni 2016 eine Rechnung mit Datum vom 16.9.2016 über 40.000 € ausgestellt, die von der GmbH auch bezahlt wurde. Die GmbH hatte zuvor mit Gesellschafterbeschluss beschlossen, dem Kläger eine einmalige „Entschädigung“ für seine Tätigkeiten zwischen Februar und Juni 2016 auszubezahlen.
Das Finanzamt erlangte nachfolgend Kenntnis von dieser Rechnung und erachtete den Vorgang als umsatzsteuerpflichtig. Da noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten war, erfolgte eine Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 2016, wobei die Besteuerungsgrundlagen gem. § 162 AO mangels Abgabe einer Steuererklärung geschätzt wurden. Dem Umsatzsteuerbescheid für 2016 wurden Umsätze zum Regelsteuersatz von 40.000 € zugrunde gelegt, woraus sich eine Umsatzsteuer von 7.600 € ergab; dabei wurden Vorsteuerbeträge mit 0 € angesetzt. Zudem wurde ein Verspätungszuschlag in Höhe von 760 € angesetzt.
Das Finanzamt setzte die Umsatzsteuer für 2016 im Einspruchsverfahren unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung auf 6.386 € herab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Hiergegen wandte sich der Kläger im Wesentlichen mit der Begründung, dass er zu keiner Zeit als Unternehmer i.S.d. § 2 UStG tätig gewesen sei.
Das FG gab der Klage statt und hob den Umsatzsteuerbescheid für 2016 auf.
Die Gründe:
Der Kläger war zwar unternehmerisch tätig geworden, wegen der Geltung der Kleinunternehmerregelung konnte die Umsatzsteuer aber nicht erhoben werden.
Für die Anwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG ist im Jahr der Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit allein auf den voraussichtlichen Umsatz des laufenden Kalenderjahres abzustellen; hier ist die Grenze von 22.000 € maßgebend. Der relevante Jahresumsatz für die Anwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG ist im „Erstjahr“ der unternehmerischen Tätigkeit grundsätzlich auf Basis der vom Unternehmer prognostizierten Zahlen zum Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit festzustellen.
Hier war die Grenze von 17.500 € für das laufende Jahr 2016 zwar durch die im September 2016 erstellte Rechnung mit dem Rechnungsbetrag von 40.000 € tatsächlich überschritten. Darauf kam es aber letztlich nicht an, denn der relevante Umsatz in dem „Erstjahr“ war grundsätzlich auf Basis der vom Unternehmer prognostizierten Zahlen zu prüfen. Zur Überzeugung des Gerichts konnte der Kläger hier bei seiner Prognose aufgrund der Umstände des vorliegenden Sachverhalts bei Aufnahme seiner unternehmerischen Tätigkeit im Februar 2016 nicht von einer Überschreitung der relevanten Umsatzgrenze von 17.500 € ausgehen, denn zwischen ihm und der GmbH bestand zu diesem Zeitpunkt die Vereinbarung, dass er zunächst unentgeltlich tätig werden sollte.
Als Zeitpunkt für die Vornahme der Prognoseentscheidung war auf den Beginn der unternehmerischen Tätigkeit – hier im Februar 2016 – und nicht auf den Zeitpunkt der Erstellung der Rechnung am 16.9.2016 oder der Fassung des Gesellschafterbeschlusses der GmbH aus September 2016 abzustellen, denn die unternehmerische Tätigkeit des Klägers war zu diesem späteren Zeitraum bereits abgeschlossen. Für diese Sichtweise sprach auch der Gesetzeswortlaut des § 19 Abs. 1 UStG, nach dem auf den „voraussichtlichen“ Jahresumsatz – hier die 17.500 € – abzustellen war; eine solche Prognose stellt aber immer eine Aussage über Ereignisse oder Entwicklungen in der Zukunft dar. Jede Prognose beinhaltet zudem immer das Risiko, dass sie im konkreten Fall unrichtig sein kann.
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