FG Münster v. 19.8.2022 - 3 K 2935/20 Erb
Erbschaftsteuerbefreiung für denkmalgeschützte Objekte: Zeitliche Nähe zwischen Erwerb und Einleitung von Maßnahmen zur Nutzbarmachung
Die 85-prozentige Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a ErbStG setzt zumindest die Einleitung von Maßnahmen zur Nutzbarmachung eines denkmalgeschützten Objekts für die Öffentlichkeit kurze Zeit nach Kenntnis des Erwerbs voraus. Eine anschließende mehrjährige Umsetzungsphase ist hingegen unschädlich.
Der Sachverhalt:
Ende 2013 verstarb der Ehemann der Klägerin. Alleinerbin war dessen Tochter, die aber aufgrund von letztwilligen Verfügungen mit Vermächtnissen und Auflagen zugunsten der Klägerin belastet war. Die daraus resultierenden Streitigkeiten zwischen der Klägerin und der Erbin wurden durch einen Ende 2015 geschlossenen Erbvergleichsvertrag beendet. Danach erhielt die Klägerin u.a. eine Immobilie, die mit einem unter Denkmalschutz stehenden Friesenhaus aus dem 17. Jahrhundert bebaut war.
Im Mai 2016 nahm die Klägerin Kontakt mit dem örtlichen Tourismusbüro auf, um Führungen durch das Objekt anzubieten. Die hierzu mit dem Heimatverein im Oktober 2016 aufgenommenen Verhandlungen scheiterten im April 2017. Die Klägerin beantragte beim Finanzamt die Gewährung der Steuerbefreiung i.H.v. 85 % gem. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a ErbStG, da die Nutzbarmachung für Zwecke der Volksbildung beabsichtigt sei. Dies lehnte das Finanzamt wegen der fehlenden Zeitnähe der begünstigten Nutzung zum Erbfall ab. Eine im Jahr 2017 diesbezüglich erhobene Klage wurde im August 2018 einvernehmlich dahingehend erledigt, dass das Finanzamt die Festsetzung wegen der beantragten Steuerermäßigung für vorläufig erklärt.
Seit Januar 2019 können Führungen durch dieses Objekt gebucht werden. Daraufhin beantragte die Klägerin erneut die Gewährung der Steuerermäßigung, was vom Finanzamt wiederum wegen fehlender Zeitnähe abgelehnt wurde.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision zum BFH wurde zur Fortbildung des Rechts zugelassen.
Die Gründe:
Der Klägerin ist die begehrte Steuerbefreiung zu gewähren.
Der Grundbesitz ist im öffentlichen Interesse erhaltenswert, da es unter Denkmalschutz steht. Dass die jährlichen hohen Kosten in der Regel die erzielten Einnahmen übersteigen, hat die Klägerin ebenfalls substantiiert dargelegt. Durch die seit Januar 2019 stattfindenden Führungen hat sie das Objekt auch der Öffentlichkeit mit dem Zweck der Volksbildung nutzbar gemacht. Eine ständige Zurverfügungstellung für die Öffentlichkeit ist hierfür - insbesondere in Pandemiezeiten - nicht erforderlich.
Die Steuerbefreiung scheitert auch nicht an der grundsätzlich erforderlichen zeitlichen Nähe zwischen dem Zeitpunkt des Erwerbs und der Nutzbarmachung. Das Gesetz sieht zwar keine zeitliche Grenze vor, allerdings ist vor dem Hintergrund der sehr hohen Steuerbefreiung von 85 % aus Gleichbehandlungsgründen eine gewisse Zeitnähe zu verlangen. Diese kann jedoch nicht pauschal festgelegt werden, sondern ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen.
Ausgangspunkt ist im Streitfall nicht der Todeszeitpunkt Ende 2013, sondern erst der Abschluss des Erbvergleichsvertrags Ende 2015. Erst ab diesem Zeitpunkt kann vom Erwerber eine Entscheidung darüber erwartet werden, ob er Grundbesitz für die Öffentlichkeit nutzbar machen möchte. Hiernach hat die Klägerin innerhalb von wenigen Monaten und damit zeitnah Aktivitäten eingeleitet, um das Objekt zu öffnen. Nach den gescheiterten Verhandlungen mit dem Heimatverein und dem Abschluss des ersten Klageverfahrens hat sich die Klägerin wiederum zeitnah um eine Öffnung bemüht und diese ab Januar 2019 realisiert.
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