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Aktuell in der Ubg

Das Mindeststeuergesetz (Rödder/Altenburg, Ubg 2024, 353)

Das am 27.12.2023 verkündete Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie zur globalen Mindestbesteuerung für multinationale und große inländische Unternehmensgruppen (MinBestRL-UmsG) setzt insbesondere die internationalen Vereinbarungen zur Säule 2 der G20/OECD-Zweisäulenlösung um, um eine effektive Mindestbesteuerung von 15 % sicherzustellen. Kernstück ist dementsprechend das sog. Mindeststeuergesetz (MinStG), das weitgehend ab dem 1.1.2024 gilt. Das MinStG führt eine zweite Steuerbilanzierung auf Basis modifizierter Konzernrechnungslegungsgrößen ein und misst an dieser Bemessungsgrundlage eine ebenfalls neu definierte sog. effektive Steuerbelastung. Die Auswirkungen sind in praxi oft überraschend. Das neue Gesetz betrifft nicht nur Unternehmen mit Aktivitäten in Niedrigsteuerstaaten, sondern alle zumindest mittelgroßen Unternehmensgruppen und auch rein deutsche Sachverhalte. Der Beitrag gibt einen praxisorientierten Überblick über das MinStG.


I. Einleitung

II. Steuerpflichtige

III. Ergänzungssteuerregime

IV. Schritte zur Ermittlung der Mindeststeuer

V. Mindeststeuergewinn/-verlust

VI. Erfasste Steuern

VII. Effektiver Steuersatz

VIII. Ergänzungssteuersatz und Steuererhöhungsbetrag

IX. Weitere Regelungen

X. Übergangsregelungen

XI. Fazit


I. Einleitung

Am 27.12.2023 ist das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union (MinBestRL-UmsG) im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Es gilt grundsätzlich ab dem 1.1.2024. Mit der nationalen Umsetzung der MinBestRL will Deutschland zentrale Elemente der internationalen Vereinbarungen zur Säule 2 der sog. G20/OECD-Zwei-Säulen-Lösung umsetzen. Die darin enthaltenen Nachversteuerungsregelungen sollen eine globale effektive Mindestbesteuerung i.H.v. 15 % sicherstellen. Dementsprechend ist das Gesetz zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für Unternehmensgruppen (Mindeststeuergesetz – MinStG) Kernstück des MinBestRL-UmsG. In anderen Ländern gibt es entsprechende MinStG.

Bei der 15-%-Prüfung müssen sowohl die Steuerbemessungsgrundlage als auch die sich hierauf bezogene Steuerbelastung nach weltweit gleich geltenden Regelungen ermittelt werden. Dies erfolgt durch Anknüpfung an modifizierte Konzernrechnungslegungsgrößen. Es kommt also zu einer eigenen Mindeststeuerbilanzierung mit geänderten Zahlen aus der Konzernrechnungslegung, d.h. zu einer zweiten Steuerbilanzierung neben der eigentlichen nationalen Steuerbilanzierung. Ergibt sich danach eine Ertragsteuerbelastung von weniger als 15 %, so ist der Differenzbetrag grundsätzlich die Mindeststeuer.

Das neue MinStG führt damit in vielerlei Hinsicht in echtes steuerrechtliches Neuland, das mit dem Anknüpfen an die Konzernrechnungslegung auf lange Sicht die Grundfesten unternehmensteuerrechtlicher Regelungen und der dazugehörigen Beratung erschüttern kann. Es erstaunt, wie wenig diesem Umstand, der Teilverlagerung von Steuerrecht in (modifiziertes internationales) Konzern-Accounting, bisher von Steuerrechtlern in den Diskussionen zum MinStG Rechnung getragen wird.

Das neue MinStG enthält 101 Einzelnormen, das sind 44 eng bedruckte DIN-A4-Seiten Gesetzestext. Der RegE mit Begründung5 umfasst 256 eng bedruckte DIN-A4-Seiten. Zahlreiche, steuerrechtlich neue Begriffe ziehen sich durch das MinStG. Hinzu tritt die gesamte Welt der Rechnungslegungsvorschriften, z.B. der IFRS, mit ihren Begrifflichkeiten.

Da die Berechnung einer möglichen Mindestbesteuerung nur sehr „holzschnittartig“ funktioniert, kann es zu Überraschungen kommen. Ein hoher Steuersatz schützt nicht per se vor der Mindeststeuer. Wichtig ist, die Bruchrechnung des MinStG zu verstehen: Ein hoher Zähler (gezahlte Steuern) ist gut, ein niedriger Nenner (Gewinn) auch. Ein hoher (handelsrechtlicher) Gewinn ohne Steuern kann hingegen schädlich sein. Das MinStG muss bei Konzernsachverhalten oder Transaktionen wie Unternehmenskäufen oder Umstrukturierungen parallel zu der bisherigen Steuerprüfung nun immer „mitgedacht“ werden.

Die wenigen Wochen praktischer Erfahrungen mit dem MinStG zeigen dabei in vielen Fällen, wie schwierig und unsicher die Rechtsanwendung ist und wie bedeutsam mögliche Ergebnisse ausfallen können. Die gravierenden Rechtsunsicherheiten werden noch viele Jahre andauern. Rechtsstreitigkeiten in großer Zahl könnten die Folge sein. Es werden sich vielfach auch rechtsstaatliche Fragen stellen.

Das Gesetz ist, anders als man vermuten sollte, nicht nur für Unternehmensgruppen mit Tochtergesellschaften in Niedrigsteuerstaaten von Bedeutung, sondern für jede Unternehmensgruppe, auch für inländische Tochtergesellschaften mit nur inländischen Konzernen.

Die Mindeststeuer kann vermieden werden, wenn subjektive Steuerbefreiungen greifen oder die Voraussetzungen von sog. Safe Harbours vorliegen. Insoweit derzeit besonders relevant ist die vorübergehende Anknüpfung an Daten aus dem Country-by-Country-Reporting.

Die Mindeststeuer wird ungeachtet von DBAs erhoben, die Mindeststeuer begründet keine Abkommensberechtigung (§ 1 Abs. 1 Satz 1, § 100 MinStG).

Das MinStG steht neben der unverändert vorgesehenen Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG.

II. Steuerpflichtige

Steuerpflichtig sind vor allem im Inland belegene Geschäftseinheiten, die zu einer Unternehmensgruppe gehören, die nach ihren Konzernabschlüssen in mindestens zwei der letzten vier Geschäftsjahre Umsatzerlöse von 750 Mio. € oder mehr erzielt hat (§ 1 Abs. 1 Satz 1 MinStG). Grundsätzlicher Maßstab sind insoweit die Zahlen nach handelsrechtlicher Voll- oder Quotenkonsolidierung (in praxi regelmäßig nach HGB oder IFRS). Schon dabei stellen sich Fragen, wie folgendes Beispiel zeigt. (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 04.07.2024 14:38
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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