FG Niedersachsen v. 29.5.2024 - 3 K 36/24
(Teilentgeltliche) Übertragung der Immobilie auf die Tochter im Wege der vorweggenommenen Erbfolge
Teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unterhalb der historischen Anschaffungskosten sind keine tatbestandlichen Veräußerungen i.S.d. § 23 EStG. In der BFH-Rechtsprechung ist weiterhin ungeklärt, ob bei teilentgeltlichen Übertragungen im Rahmen des § 23 EStG durch die Heranziehung von Verkehrswerten auf den Zeitpunkt der Übertragung lediglich fiktive, aber nicht tatsächlich realisierte Überschüsse im Sinne der sog. strengen Trennungstheorie der Besteuerung unterliegen, weshalb die Revision zugelassen wurde.
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte 2014 ein bebautes Grundstück für 143.950 € erworben und anschließend (weiter) vermietet. Er erzielte insoweit Vermietungseinkünfte. Einen Teil des Erwerbs hatte er durch ein Bankdarlehen finanziert. Anfang März 2019 übertrug der Kläger diese Immobilie mit Wirkung zum 6.6.2019 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf seine Tochter. Das Bankdarlehen valutierte noch mit 115.000 €. Die Tochter übernahm diese Verpflichtung im Rahmen der Übertragung und finanzierte diese anderweitig. Beim Notar gaben die Vertragsparteien den aktuellen Verkehrswert der Immobilie - wegen der Notarkosten - mit 210.000 € an.
Das Finanzamt berücksichtigte diesen Vorgang als nach § 23 EStG steuerpflichtiges "privates Veräußerungsgeschäft". Die Übertragung sei in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Vorgang aufzuteilen. Maßstab für die Aufteilung sei dabei der Verkehrswert der Immobilie im Zeitpunkt der Übertragung im Verhältnis zu den übernommenen Verbindlichkeiten. Die ursprünglichen Anschaffungskosten (143.950 €) seien, so für die Aufteilung nicht relevant. Abziehbar seien dann nur die anteiligen Anschaffungskosten auf den entgeltlichen Teil. Insgesamt habe der Kläger durch die teilweise schenkweise Übertragung an die Tochter einen Veräußerungsgewinn von 40.653 € erzielt. Dadurch entstand eine um 17.075 € höhere festzusetzende Einkommensteuer.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Allerdings wurde zur Fortbildung des Rechts die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem AZ: IX R 17/24 anhängig.
Die Gründe:
Die (teilentgeltliche) Übertragung der Immobilie vom Kläger auf seine Tochter im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ist nicht als "privates Veräußerungsgeschäft" gem. §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbar. Auch solche Übertragungen - jedenfalls unterhalb der historischen Anschaffungskosten wie im Streitfall - sind keine tatbestandlichen Veräußerungen i.S.d. § 23 EStG.
Bei Übertragungen wie hier kann es zu keinem "realisierten Wertzuwachs" kommen, der der ertragsteuerlichen Besteuerung zugänglich ist. Anderenfalls unterläge ein fiktiver steuerlicher Ertrag, nämlich aus einem reinen Vermögenstransfer im Wege der vorweggenommenen Erbfolge als Anknüpfungspunkt (steuerliches Substrat) - hier unter nahen Angehörigen - ohne einen positiven Cashflow beim Übertragenden zusätzlich der Ertragsteuer. Diese Art der Besteuerung ist zwar "keine Besteuerung eines fiktiven Sachverhalts" (BFH 12.12.2023 - IX R 15/23]), denn die Übertragung auf die Tochter hat tatsächlich stattgefunden. Durch die Berechnungsmethode wird allerdings ein fiktiver Ertrag der Ertragsteuer unterworfen.
Im Streitfall ist ein steuerlicher Gewinn von immerhin 40.653 € "berechnet" worden, der zu einer Erhöhung der Steuerlast i.H.v. 17.075 € geführt hat, ohne dass dem Kläger entsprechende Mittel zugeflossen sind, die seine Leistungsfähigkeit erhöht hätten. Zugleich entstünde eine tatsächliche Doppelbesteuerung des identischen Sachverhaltes (steuerlichen Substrats) einerseits in der Ertragsteuer nach § 23 EStG als "privates Veräußerungsgeschäft" und andererseits nach § 7 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) als "gemischte Schenkung" vom Vater (Kläger) an seine Tochter (Beschenkte).
Allerdings ist eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist. In der BFH-Rechtsprechung ist weiterhin ungeklärt, ob bei teilentgeltlichen Übertragungen im Rahmen des § 23 EStG durch die Heranziehung von Verkehrswerten auf den Zeitpunkt der Übertragung lediglich fiktive, aber nicht tatsächlich realisierte Überschüsse im Sinne der sog. strengen Trennungstheorie der Besteuerung unterliegen (vgl. zu § 17 EStG: FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 22.3.2023 2, K 1617/19 und nachgehend BFH, IX R 15/23, aaO.).
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