FG München v. 25.7.2024, 15 K 286/23
Ärztlich verordnete Nahrungsergänzungsmittel wegen Krebserkrankung als außergewöhnliche Belastung?
An der Zugehörigkeit von Aufwendungen für Lebensmittel zu den Kosten der privaten Lebensführung ändert auch nichts, dass die Präparate weitgehend ärztlich verordnet waren. Eine „Zwangsläufigkeit“ im Sinne des § 33 EStG lässt sich daraus nicht ableiten. Der BFH hatte allerdings noch keine Gelegenheit, näher darüber zu entscheiden ob in Fällen einer Krebserkrankung die Einnahme von Präparaten in Form von Nahrungsergänzungsmitteln zwangsläufig i.S.d. § 33 Abs. 2 EStG ist, weshalb die Revision zugelassen wurde.
Der Sachverhalt:
Der Kläger leidet seit 2015 an Prostatakrebs, der mit einer Hormontherapie nicht mehr heilbar ist. Er hatte deshalb im Streitjahr 2019 Aufwendungen i.H.v. 31.031 € und im Streitjahr 2020 Aufwendungen i.H.v. 36.048 € steuermindernd geltend gemacht. Das Finanzamt hat die Kosten im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen teilweise als berücksichtigungsfähige Krankheitskosten behandelt. Es hat allerdings nicht die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel i.H.v. 9.871 € in 2019 und 10.847 € in 2020 als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt. Auch diese Präparate waren dem Kläger zuvor ärztlich verordnet worden.
Der Kläger verwies weiterhin auf ein ärztliches Attest, einen ambulanten Arztbrief, den histopathologischen Befund sowie den PET-CT-Befund. Er benötige die kontinuierliche Einnahme spezieller Präparate, da bereits die Knochen und Lymphdrüsen befallen seien. Das Finanzamt war der Ansicht, Nahrungsergänzungsmittel seien nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastung zuzulassen, da es sich hierbei ausdrücklich nicht um Arzneimittel handle, die dem Arzneimittelgesetz unterliegen, sondern um Vitamine, Mineral- und Vitalstoffe etc., die als Lebensmittel gelten.
Das FG hat die gegen die Einkommensteuerbescheide gerichtete Klage abgewiesen. Allerdings wurde die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Az.: VI R 23/24 anhängig.
Die Gründe:
Das FA hat die streitgegenständlichen Aufwendungen von 9.871 € in 2019 und 10.847 € in 2020 zutreffend nicht als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs. 1 EStG berücksichtigt.
Nach ständiger BFH-Rechtsprechung können Krankheitskosten – ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung – dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen, etwa Aufwendungen für einen Rollstuhl. Nicht zu den Krankheitskosten zählen vorbeugende Aufwendungen, die der Gesundheit allgemein dienen, und solche, die auf einer medizinisch nicht indizierten Behandlung beruhen. Es handelt sich insoweit vielmehr um Aufwand, der nicht aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig i.S.d. § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG entsteht, sondern auf einer freien Willensentschließung beruht und deshalb gem. § 12 Nr. 1 EStG den nicht abzugsfähigen Kosten der Lebenshaltung zuzurechnen ist.
Aufwendungen für Diätverpflegung sind nach dem Wortlaut des § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG und der Entstehungsgeschichte der Ausschlussnorm ausnahmslos nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Unter Diät ist die auf die Bedürfnisse des Patienten und die Therapie der Erkrankung abgestimmte Ernährung zu verstehen; sie kann in der Einschränkung der gesamten Ernährung, in der Vermeidung bestimmter Anteile oder in der Vermehrung aller oder bestimmter Nahrungsanteile bestehen. Zu den Diätformen gehören nicht nur kurzzeitig angewendete Einformdiäten sowie langzeitig angewandte Grunddiäten, z.B. bei Gicht und Zuckerkrankheit, sondern auch langzeitige Sonderdiäten mit Anpassung an ständige Leiden.
Nach Maßgabe dieser Rechtsgrundsätze stellen die streitgegenständlichen Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel keine außergewöhnlichen Belastungen i.S.d. § 33 EStG dar. An der Zugehörigkeit von Aufwendungen für Lebensmittel zu den Kosten der privaten Lebensführung ändert auch nichts, dass die Präparate weitgehend ärztlich verordnet waren. Eine „Zwangsläufigkeit“ i.S.d. § 33 EStG lässt sich daraus nicht ableiten. Allerdings hatte der BFH noch keine Gelegenheit, näher darüber zu entscheiden ob in Fällen einer Krebserkrankung die Einnahme von Präparaten in Form von Nahrungsergänzungsmitteln zwangsläufig i.S.d. § 33 Abs. 2 EStG ist. Infolgedessen wurde die Revision zugelassen.
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