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FG Münster v. 20.3.2024 - 3 K 1764/22

Beginn des Zinslaufs für Erstattungszinsen bei Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe und anschließender Zusammenveranlagung

Mit Art. 97 § 9 Abs. 5 EGAO ist nicht nur die entsprechende Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, sondern zugleich auch die des § 233a Abs. 2a AO angeordnet worden. Damit besteht für die Finanzverwaltung auch die Verpflichtung, Erstattungsbeträge, die sich aufgrund der nachträglichen, rückwirkenden Zusammenveranlagung der vormaligen Lebenspartner und jetzigen Ehepartner ergeben, nach Maßgabe des § 233a Abs. 2a AO zu verzinsen. Allerdings liegt bislang eine höchstrichterliche Entscheidung zum Beginn des Zinslaufs bei Steuererstattungen, die sich in Fällen der Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe und sich daran anschließender Zusammenveranlagung ergeben, noch nicht vor, weshalb die Revision zugelassen wurde.

Der Sachverhalt:
Die Kläger haben waren 2006 eine Lebenspartnerschaft eingegangen. Für die Streitjahre 2007 und 2010 wurden sie Kläger zunächst getrennt veranlagt. Die im Rahmen der Einzelveranlagungen ergangenen Steuerbescheide wiesen für die Kläger jeweils Einkommensteuererstattungsbeträge aus. Im Jahr 2017 heirateten die Kläger. Es handelte sich um eine Eheschließung nach § 17a PStG bei bestehender Lebenspartnerschaft.

Am 20.3.2020 beantragten die Kläger die Zusammenveranlagung u.a. für die Veranlagungszeiträume 2007 und 2010 gem. § 26b EStG i.V.m. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Bei der Umwandlung einer Lebenspartnerschaft nach § 20a LPartG in eine Ehe handele sich um ein rückwirkendes Ereignis, und Ehegatten, die ihre Lebenspartnerschaft in eine Ehe umgewandelt hätten, könnten die Zusammenveranlagung auch für bereits bestandskräftig einzelveranlagte Jahre verlangen.

Das Finanzamt nahm daraufhin eine Zusammenveranlagung der Kläger für die Streitjahre 2007 und 2010 vor. Dabei wiesen die Bescheide jeweils Einkommensteuererstattungsbeträge aus. Sodann beantragten die Kläger die Festsetzung von Zinsen gem. § 233a Abs. 2a i.V.m. § 175 Abs. 1 Nr. AO für die Veranlagungszeiträume 2007 und 2010 durch Erlass eines Zinsbescheids. Dabei machten sie geltend, dass es sich gem. Art. 97 § 9 Abs. 5 EGAO bei der Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe i.S.d. § 20a LPartG um ein rückwirkendes Ereignis handele, das die Anwendung des § 233a AO ermögliche, sofern der Antrag auf nachträgliche Zusammenveranlagung bis spätestens 31.12.2020 gestellt worden sei.

Das Finanzamt lehnte die Anträge ab. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage nur teilweise statt. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Az.: III R 17/24 anhängig.

Die Gründe:
Nur soweit das Finanzamt es abgelehnt hatte, Erstattungszinsen auf die streitbefangenen Erstattungsbeträge der Veranlagungszeiträume 2007 und 2010 ab dem 1.4.2019 festzusetzen, war die Klage begründet. Soweit die Kläger eine solche Verzinsung bereits ab dem 1.4.2009 – für den Erstattungsbetrag des Jahres 2007 – bzw. ab dem 1.4.2012 – für den Erstattungsbetrag des Jahres 2010 – begehrt hatten, war die Klage hingegen nicht begründet.

Unerheblich war, inwieweit es sich bei der Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe gem. § 20a des LPartG um ein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO handelt. Denn mit dem zum 15.12.2018 in Kraft getretenen Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (UStAVermG, BGBl. I 2018, 2338) hat der Gesetzgeber die Vorschrift des Art. 97 § 9 Abs. 5 EGAO eingeführt, wonach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 233a Abs. 2a AO entsprechend anzuwenden sind, wenn eine Lebenspartnerschaft bis zum 31.12.2019 gem. § 20a LPartG in eine Ehe umgewandelt worden ist und soweit die Ehegatten bis zum 31.12.2020 den Erlass, die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids zur nachträglichen Berücksichtigung an eine Ehe anknüpfender und bislang nicht berücksichtigter Rechtsfolgen beantragt haben (zu Hintergrund und Wirkungen dieser gesetzlichen Regelung Kanzler, FR 2019, 457).

Mit Art. 97 § 9 Abs. 5 EGAO ist nicht nur die entsprechende Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, sondern zugleich auch die des § 233a Abs. 2a AO angeordnet worden. Damit besteht für die Finanzverwaltung auch die Verpflichtung, Erstattungsbeträge, die sich aufgrund der nachträglichen, rückwirkenden Zusammenveranlagung der vormaligen Lebenspartner und jetzigen Ehepartner ergeben, nach Maßgabe des § 233a Abs. 2a AO zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt nicht bereits gem. § 233a Abs. 1 und 2 AO 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist – also am 1.4.2009 bzw. am 1.4.2012.

Entgegen der Rechtsauffassung des Finanzamtes ist insoweit nicht auf den Antrag auf Zusammenveranlagung als maßgebliches rückwirkendes Ereignis abzustellen, sodass der Zinslauf im Streitfall auch nicht unter Berücksichtigung der Karenzzeit des § 233a Abs. 2a AO erst am 1.4.2022 begonnen hat. Der Senat vertritt vielmehr die Rechtsansicht, dass in Fällen der vorliegenden Art die Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe den maßgeblichen Zeitpunkt und damit dasjenige rückwirkende Ereignis darstellt, nach dem sich der Beginn des Zinslaufs nach § 233a Abs. 2a AO bemisst. Allerdings liegt bislang eine höchstrichterliche Entscheidung zum Beginn des Zinslaufs bei Steuererstattungen, die sich in Fällen der Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe und sich daran anschließender Zusammenveranlagung ergeben, noch nicht vor, weshalb die Revision zugelassen wurde.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.11.2024 15:53
Quelle: Justiz NRW

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